DMS Talks
Standort+Markt X Handelsverband X DMS über die Handelsflächen in Österreich.
Die Veränderungen der Handelsflächen in Österreich – besser handeln mit Insider-Wissen von Standort + Markt und dem Handelsverband: DMS im Gespräch über den S+M Health Retail Check.
Ein weiterer spannender DMS Talk für alle, die sich für die Veränderungen im Handel interessieren – Oliver Nitz, CMO von DMS, durfte sich diesmal mit den Experten Dr. Roman Schwarzenecker von Standort + Markt und Manuel Friedl vom Handelsverband austauschen. Die Insider diskutieren über wichtige Fragen rundum die Zukunft des Handels in Österreich: Welche Branchen füllen die Leerstände? Was ist dran am Trend Flagshipstores? Gähnende Leere oder doch too hot to handel?
Standort + Markt über den Retail-Standort Österreich.
Mit Dr. Roman Schwarzenecker konnten wir einen besonders interessanten Gesprächspartner für unseren DMS Talk, unseren Talk über Ideen und Innovationen, gewinnen. Standort + Markt leistet seit 2013 Wegweisendes für den Retail in Österreich. Jahr für Jahr erscheint aufgrund dieses Know-hows der "S+M City Retail Health Check" – nun schon zum elften Mal. Präsentiert wird er gemeinsam mit dem Handelsverband.
Der S+M City Retail Health Check – die Ergebnisse.
Dabei liefert auch die Edition 2023/2024 wieder mehr als spannende Zahlen – nämlich Fakten, die österreichische Handelsunternehmen jetzt und in Zukunft besser am Markt agieren lassen: durch die Analyse von 24 Geschäftsbereichen, also Einkaufsstraßen, und 16 ausgewählten Kleinstädten mit insgesamt 13.300 Shops auf einer Fläche von rund 2 Millionen Quadratmetern.
Minus 9.000 Quadratmeter: Im urbanen Bereich ist besonders Mode nicht mehr in.
Das zeigt die Veränderungen der Konsumgewohnheiten im Retail: Seit 2018 beobachtet Standort + Markt eine rückläufige Entwicklung der Handelsflächen. Woran liegt’s? Kurz gesagt: Zuerst die Pandemie, später die hohe Inflation und die daraus resultierende Immobilienkrise – das führt zu veränderten Einkaufsgewohnheiten. Vor allem der Bereich Mode hat seit 2014 deutlich an den internationalen Onlinehandel verloren.
"Positiv ist, dass auch die Leerstandsquote in den 40 untersuchten Innenstädten des Landes von 6,8% auf 6,7% minimal zurückgegangen ist. Das liegt aber vor allem daran, dass viele Geschäftslokale nach einem Leerstand nun in einer Umbauphase stecken, die oftmals weg vom Retail und hin zu anderen Nutzungen führt, etwa Arztpraxen oder Friseursalons. Der Leerstand geht also leicht zurück, aber die Flächen gehen weg vom Handel", erklärt Rainer Will vom Handelsverband – sein Kollege Manuel Friedl liefert uns im DMS Talk 8 noch mehr wertvolle Infos.
Transkript des DMS Talk zum Nachlesen
DMS Talk – City Retail Health Check 2024
Oliver Nitz (CMO, Digitale Mediensysteme):
Herzlich willkommen zu unserem DMS Talk – ich glaube, es ist bereits der achte. Thema heute: Veränderung der Handelsflächen in Österreich – der „City Retail Health Check 2024“.
Mein Name ist Oliver Nitz. Ich freue mich, heute zu moderieren. Wir bei DMS – Digitale Mediensysteme arbeiten seit 20 Jahren im Retail, erweitern physische Räume mit digitalen Lösungen – insbesondere Digital Signage, Instore Radio samt Content, Frequenzmessung und Location Analytics. Wir beobachten einzelne Standorte ebenso wie Gesamttrends. Heute bekommen wir dazu Zahlen, Daten, Fakten – darauf freue ich mich sehr.
Unser Motto: „Digitales mit Sinn.“
Begrüßen Sie mit mir Dr. Roman Schwarzenecker (Standort + Markt) und Manuel Friedl (Österreichischer Handelsverband).
Vorstellung
Dr. Roman Schwarzenecker (Standort + Markt):
Ich bin Gesellschafter‑Geschäftsführer von Standort + Markt. Der Name ist Programm: Wir erstellen Standort‑ und Marktanalysen, vor allem für den Einzelhandel, und veröffentlichen seit 1988 regelmäßig Publikationen – mit wissenschaftlichem Anspruch, weil es im Handelsbereich wenige kontinuierliche, belastbare Untersuchungen gibt.
Ich selbst bin seit 1996 im Unternehmen und außerdem Generalsekretär eines Fachverbands für Einzelhandelsimmobilien.
Manuel Friedl (Österreichischer Handelsverband):
Ich arbeite im Kommunikationsteam des Österreichischen Handelsverbands – der unabhängigen, branchenübergreifenden und freiwilligen Interessensvertretung des heimischen Handels. Bei uns sind viele große Unternehmen aus LEH, Mode, Elektro etc. organisiert – und rund 4.500 KMU (es dürfen gerne noch mehr werden; KMU können kostenfrei beitreten).
Beim City Retail Health Check unterstützen wir Öffentlichkeitsarbeit und Präsentation. Datenerhebung und Methodik liegen vollständig bei Standort + Markt. Wir leiten aus den Ergebnissen auch Handlungsempfehlungen ab.
Entstehung & Methodik des City Retail Health Check
Oliver: Ich bin 2017 erstmals beim Handelsverband darauf gestoßen (damals u. a. zur Mariahilfer Straße in Wien) – sehr spannend. Was ist der Health Check, wie funktioniert eure Analyse, und wie trefft ihr die Auswahl?
Roman:
Wir sind 2013 mit der Erhebung gestartet; heuer erscheint die 10./11. Auflage (City Retail Health Check seit 2014). Historisch haben wir zunächst Einkaufszentren untersucht – inkl. Definition („ab wann Einkaufszentrum, ab wann Fachmarktzentrum?“), damals angelehnt an den ICSC, für Österreich adaptiert (Flächenuntergrenzen).
2000 kamen Fachmarktgebiete/-agglomerationen dazu (Beispiel: SCS in Vösendorf plus benachbarte großflächige Anbieter).
Für Innenstädte gab es jedoch lange keine validen Daten – viele Meinungen, wenig Messbares. Also haben wir begonnen, flächendeckend zu kartieren:
- Jeden Shop in der City einzeichnen,
- Adresse, Nutzung, v. a. Verkaufsfläche erfassen (Street View zeigt die Tiefe/Stockwerke nicht),
- heute umfasst die Datenbank ~13.300 Shops.
Untersuchungsraum:
- 20 Städte (die größten + Eisenstadt; Wien mit 5 Geschäftsbereichen: u. a. Innere Stadt, Mariahilfer Straße, Favoritenstraße, Landstraße),
- zusätzlich 16 Kleinstädte.
Diese 40 Städte clustern wir als Primär‑/Sekundärstädte plus Kleinstädte. Erhoben wird jährlich, in enger Kooperation mit Stadtmarketing‑Teams.
Zustand der Innenstädte – „Gesundheit“
Oliver: Wie „gesund“ sind die Cities?
Roman:
Besser, als oft kolportiert – aber sichtbar im Wandel.
Die harte Leerstandsquote (flächenbezogen!) war zuletzt stabil und ist heuer sogar um 0,2 PP gesunken. Dennoch empfinden viele die Lage subjektiv kritischer. Der Grund: Die Gesamt‑Verkaufsfläche in den Innenstädten nimmt seit 2018 ab (vorher noch Zuwachs). Über 10 Jahre beträgt der Flächenrückgang ~3,2 %. Flächen fallen aus dem Handel heraus und werden umgenutzt – zu Büros, Ordinationen/Kassen‑/Ärztezentren, Kanzleien oder Wohnen, teilweise öffentlich.
Wir unterscheiden:
- Harter Leerstand (keine Nachnutzung bekannt)
- Leerstand im Umbau (Nachnutzung absehbar).
Der Anteil „im Umbau“ wächst – auch weil unsere Informationslage durch Wiederholerhebungen und Stadtmarketing‑Kooperation besser ist.
Nutzungsverschiebungen & Sortimente
Oliver: Wie ändert sich das Gesicht der Einkaufsstraßen?
Roman:
Die Mode hat in 10 Jahren ca. −5 PP verloren (in Summe ~100.000 m² in den 24 Primär-/Sekundärstädten – das entspricht grob der Größe eines Donau Zentrums nur an Modefläche).
Gastronomie legte um +1,5 PP zu – „Gastro = new Retail“ greift aber zu kurz; der Rückgang der Mode wurde nicht kompensiert.
Leerstand (inkl. Umbau) hat sich etwa verdoppelt (~4 % → ~8 %).
Treiber: Konsumverlagerung ins Online – v. a. bei Mode.
Unter Druck / stabil / Gewinner:
- Unter Druck: Mode; Wohnen/Einrichten punktuell durch Rückzug großer Häuser.
- Relativ stabil: Elektronik.
- Zulegen: Gastro, Dienstleistungen, Fitness, teilweise Wettanbieter; Aktionspostenmärkte/Discounter (ACTION, TEDi, PEPCO); LEH/Drogerie (geringfügig +, teils durch Flächenerweiterungen und Nutzung bislang „schwieriger“ Lagen).
- Online‑Anteil: In LEH weiterhin sehr niedrig (~1 %), bei Drogerie ebenfalls überschaubar – viele Discounter ohne Onlineshop (bewusste Strategie: Frequenz in den Filialen).
Schließungen, Insolvenzen & Fluktuation
Oliver: Eine Studie bezifferte (große) Filialschließungen 2020–23 mit rund 93 p. a. (Insolvenzen etc.). Wie fügt sich das ein?
Roman:
Wir messen die Fluktuationsrate (Nutzungswechsel pro Jahr). Sie liegt seit Jahren um ~12 % – Corona‑bedingt kurzfristig niedriger, inzwischen wieder Normalniveau. Heißt: Jeder Shop ändert im Schnitt alle 8 Jahre seine Nutzung.
A‑Lagen sind stabiler als B‑Lagen; größere Städte stabiler als kleinere.
Manuel:
Wir sehen Insolvenzen in den letzten 1–2 Jahren deutlich häufiger – u. a. durch Auslaufen von Corona‑Sonderregeln, Stundungen, höhere Kosten. Dazu Zyklen: Phasen der Expansion vs. Phasen mit mehr Schließungen. Beispiel: PEPCO – sehr schnelle Expansion auf >70 Filialen und ebenso rascher Rückzug. Österreich ist ein hart umkämpfter Markt mit hohen Kosten (Mieten, Personal), hohem Serviceanspruch und dichter Konkurrenz. Wer das unterschätzt, tut sich schwer.
Auf der anderen Seite Beispiele wie Woolworth: keine Online‑Schiene, Fokus auf stationäre Frequenz, Markteintritt in Österreich, erste Filialen (u. a. Lugner City), Ziel ~130 Standorte – es gibt Marktchancen.
Auto‑Retail in der City
Oliver: Autohäuser in die Stadt – Pop‑ups/Brand Stores in Wien sind sichtbar. Trend?
Roman:
Eher ein Wiener Phänomen bzw. sehr hochfrequente Lagen. Hintergrund: Auto‑Kaufverhalten ändert sich (Konfiguration online, Probefahrt/Probesitzen vor Ort), daher kompaktere Urban Stores sinnvoll. In Shopping‑Centern sieht man Pop‑ups häufiger.
Was können Städte tun?
Roman:
Vieles ist strukturell: durchschnittliche Ladenlokale haben ~154 m² – viele neue Konzepte brauchen 600–1.200 m². Flächenzusammenlegung ist oft rechtlich/baulich schwierig (Brandschutz, Denkmalschutz, Barrierefreiheit). Hier helfen vereinfachte Verfahren und aktive Immobilienentwicklung.
Wichtig ist die Verknüpfung von Online & Offline: Retail + Gastro, Abholservices, Service‑Touchpoints – Gründe schaffen, hinzugehen.
Manuel:
Der Handel ist dort, wo er gute Geschäfte machen kann: Aufenthaltsqualität, Sicherheit, Sauberkeit, Programm – dann akzeptieren Kund:innen auch längere Wege oder fehlenden Parkplatz vor der Tür.
Kippt es Richtung Leerstand und sinkender Qualität, braucht es langen Atem – und engagierte Lokalpolitik/Stadtmarketing. Bester Hebel sind oft Personen, die kümmern (trotz kleiner Budgets).
Beispiele:
Mödling mit ~6 % Leerstand top – trotz SCS vor der Tür. Einkaufszentren müssen die City nicht „töten“ – häufig wirken sie komplementär. Entscheidend ist aktives Stadtmanagement (z. B. Wels, Wr. Neustadt etc.).
Nutzung der Daten / Services
Oliver: Auf Basis eurer Daten – wenn ich expandiere, kann ich euch beauftragen?
Roman:
Ja. Wir beraten Standortentscheidungen – und haben dank jährlicher Vollerhebung eine sehr gute Datenbasis. Expansionsleiter:innen kennen „ihre“ Städte sehr gut – aber österreichweit mit gleicher Methodik zu vergleichen, ist zusätzlicher Mehrwert.
Oliver: Wo ist die Studie abrufbar?
Roman:
Unter standort‑markt.at → Produkte → City Retail Health Check.